Vagusnerv stärken – Nervensystemregulation für mehr Ruhe, Klarheit & Verbindung
- Simone Back
- 1. Aug.
- 5 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 8. Okt.

Unser Körper zeigt uns, wenn etwas aus dem Gleichgewicht geraten ist. Ein Engegefühl in der Brust, ein rastloser Geist, ein flaues Gefühl im Bauch. Diese Empfindungen sind keine Störung. Sie sind Hinweise – Botschaften unseres Nervensystems, das uns zeigen möchte:
Hier braucht es etwas.
Sicherheit. Zuwendung. Eine achtsame Hinwendung zu dem, was gerade da ist.
Denn ob wir innerlich zur Ruhe finden, im Moment ankommen oder Verbindung empfinden – all das hängt eng mit der Regulation unseres Nervensystems zusammen und ganz besonders mit einem oft übersehenen Schlüssel zu mehr innerer Stabilität: dem ventralen Vagusnerv.
Wenn wir lernen, die Sprache unseres Körpers zu verstehen, entsteht eine neue Form von Beziehung – zu uns selbst und zur Welt. Ein Weg zurück zu dir selbst beginnt. Nicht, um zu „funktionieren“, sondern um wirklich lebendig zu sein. Und um ein Leben zu gestalten, das sich sinnhaft, kraftvoll und verbunden anfühlt.
In diesem Artikel erfährst du:
warum die Regulation deines Nervensystems so zentral für dein Wohlbefinden ist
welche Rolle der ventrale Vagus dabei spielt
und wie du selbst mit einfachen Mitteln mehr innere Stabilität und Gelassenheit kultivieren kannst.
Der ventrale Vagusnerv – unser Sozialnerv
Ein zentraler Schlüssel zur Regulation ist der ventrale Vagusnerv – unser Wohlfühl- oder Sozialnerv. Er gehört – gemeinsam mit dem dorsalen Vagus – zum parasympathischen Teil des Nervensystems und versorgt Herz, Lunge, Zwerchfell, Magen, Stimmbänder, Ohren und Gesichtsmuskulatur.
Ist dieser Nerv aktiv, erleben wir ein inneres Gefühl von Sicherheit: Wir sind geistig klar, emotional ausgeglichen, in Verbindung – mit uns selbst und anderen. Die Atmung fließt ruhig, die Verdauung arbeitet harmonisch, wir können gut hören, fein wahrnehmen und uns ausdrücken. Es entsteht eine innere Haltung von Zuversicht und Präsenz – auch in herausfordernden Momenten.
Der Wohlfühlnerv ermöglicht es uns, wirklich in die Entspannung zu finden – körperlich, emotional und sozial. Wenn er aktiv ist, wird unser Körper in einen Zustand versetzt, in dem Erholung, Integration und Regeneration möglich sind. Ein Zustand, in dem wir durchatmen, unser Herz langsamer schlägt, sich Muskeln entspannen und wir spüren: „Ich darf einfach sein.“
Doch viele Menschen kennen nur die Extreme von Anspannung und Erschöpfung – und übergehen jenen Bereich der Regulation dazwischen – das sogenannte Stresstoleranzfenster. Diesen Raum wahrzunehmen und zu kultivieren, ist oft der Schlüssel zu echter Erholung.
Was passiert, wenn unser Sozialnerv nicht ausreichend aktiv ist?
Wenn der ventrale Vagus – also unser Sozialnerv – nicht ausreichend aktiv ist, gerät das Nervensystem aus dem Gleichgewicht. Je nachdem, welcher Anteil dann dominiert, zeigen sich unterschiedliche Zustände. Das mag auf den ersten Blick komplex wirken – aber vielleicht erkennst du dich in einem der Beschreibungen wieder.
Ein wichtiger Hinweis vorweg: Sympathikus und dorsaler Vagus sind lebenswichtige Bestandteile unseres autonomen Nervensystems. Der Sympathikus hilft uns, wach, handlungsfähig und fokussiert zu sein. Der dorsale Vagus ermöglicht Rückzug, tiefe Regeneration und Erholung.
Erst wenn diese Zustände nicht mehr durch den ventralen Vagus mitgetragen werden – also nicht im Kontext von Sicherheit, Verbindung und innerer Regulation erlebt werden – kippen sie. Was zuvor unterstützend war, wird dann zur Über- oder Untererregung.
In einem regulierten Nervensystem arbeiten alle drei Anteile dynamisch und fein abgestimmt zusammen. Es geht nicht darum, einzelne Zustände zu vermeiden – sondern die innere Balance immer wieder neu zu finden.
Fehlt die Aktivierung des ventralen Vagus, agieren Sympathikus und dorsaler Vagus im Überlebensmodus:
🔹 Bei Überaktivierung des Sympathikus fühlen wir uns getrieben, angespannt, rastlos, gedanklich überflutet oder schnell reizbar. Der Körper steht unter Strom – Verdauung, Schlaf und Regeneration kommen zu kurz.
🔹 Wenn der dorsale Vagus überwiegt, erleben wir eher Rückzug, Leere, Erschöpfung oder ein Gefühl innerer Starre. Alles scheint zu viel – der Körper schaltet auf Energiesparmodus.
Viele Menschen pendeln unbewusst zwischen diesen Zuständen – ohne den regulierenden Zwischenraum zu erleben, den der ventrale Vagus ermöglicht: das sogenannte Stresstoleranzfenster.
Ein flexibler Zustand innerer Balance, in dem sowohl Aktivität als auch Ruhe Platz haben – getragen von Verbindung, Sicherheit im Körper und einem Ankommen im Jetzt.
Wie kann ich mein Nervensystem ausbalancieren?
Kurz gesagt: Durch bewusstes Spüren – und das Einladen von Sicherheit. Sicherheit meint nicht nur äußere Stabilität, sondern ein inneres Erleben von: „Gerade ist nichts bedrohlich.“
Unser Nervensystem entscheidet blitzschnell – meist unbewusst – ob eine Situation sicher oder gefährlich wirkt. Diese unwillkürliche Einschätzung nennt man Neurozeption. Sie zeigt sich über autonome Prozesse, die über Körperempfindungen, wie Atemqualität und Spannungszustände Ausdruck finden.
Wir können diese Prozesse nicht direkt steuern – aber indirekt beeinflussen: Mit kleinen, feinen Impulsen, die unser System zur Ruhe einladen.

Hier einige Möglichkeiten:
1. Präsenz im Körper
Ein Body-Scan – z. B. durch das bewusste Spüren von Armen, Beinen, Wirbelsäule, Gesicht oder Atmung – bringt dich zurück in die Verbindung mit dir selbst.
2. Die Schwerkraft nutzen Erdung über Fußsohlen oder Sitzfläche wirkt beruhigend. Sie zeigt deinem System: Ich bin gehalten, ich bin hier.
3. Orientierung im Raum Langsames Umschauen, wie beim Betrachten eines Kunstwerks – das reguliert über unsere Sinne und signalisiert Sicherheit.
4. Fein abgestimmte Bewegung Schütteln, abklopfen oder Gleichgewichtsübungen lösen Spannungen und stärken das Spürbewusstsein.
5. Stimme und Atmung öffnen Tönen, Seufzen oder Summen aktivieren über hörbare Resonanz den Sozialnerv – und wirken bis in die Tiefe des Nervensystems.
6. Persönliche Ressourcen pflegen Zeit mit Freunden, eine Umarmung, Naturerlebnisse, Hobbies oder ein Kraftort – all das kann dem System Rückverbindung schenken.
Diese kleinen Momente der Selbstzuwendung stärken deine ventrale Energie – und eröffnen dir Zugang zu einem Gefühl von innerer Ruhe, Ausgeglichenheit und lebendiger Präsenz.
Regulation im Alltag
Vielleicht kennst du das: In angespannten Momenten wirkt die Welt eng, hart oder grau. Doch manchmal genügt ein einziger Impuls – ein Anruf, ein Sonnenstrahl, ein vertrauter Duft oder Musik in der U-Bahn – und plötzlich fühlt sich alles wärmer, weiter und heller an.
Solche Augenblicke zeigen, wie unser ventraler Vagus als innerer Regler wirkt. Nicht immer bewusst gesteuert, aber dennoch spürbar unser Erleben beeinflusst.
Ich bemerke das zum Beispiel, wenn Musik in mir Resonanz erzeugt, mein Körper mitschwingt, oder wenn ich in einem guten Gespräch ein inneres Kribbeln spüre. Dann verändert sich mein Erleben – und mein Nervensystem schaltet in einen Zustand von Sicherheit, Lebendigkeit und Zugewandtheit.
Vielleicht möchtest du erkunden, was deinem System hilft, in solche verbundenen Zustände zurückzufinden? Ein Weg, der sich lohnt.
Abschließende Gedanken
Regulation ist keine Technik, die man „beherrscht“. Sie ist ein Weg der feinen Selbstzuwendung – ein wiederholtes Lauschen, Spüren, Ausprobieren. Manchmal genügt ein Atemzug. Ein Blick ins Grüne. Eine kleine Bewegung und schon landen wir wieder ein Stück näher bei uns selbst.
Diese kleinen Schritte machen den Unterschied und sie dürfen sich leicht anfühlen. Es geht nicht darum, etwas zu verändern oder loszuwerden – sondern darum, dem Körper Raum zu lassen, sich in seinem Tempo zu regulieren, zu entspannen, zu entfalten.
Ich begleite dich gern auf diesem Weg – mit Wissen, Feingefühl und einem sicheren Rahmen. Für mehr Lebendigkeit. Für echte Verbindung. Für ein Nervensystem, das immer wieder in Balance findet.




Großartig!
Klug, klar und verständlich!
Endlich erkenne ich die Zusammenhänge!
Vielen Dank dafür!