Die tiefe Frontallinie – Faszien, Aufrichtung und innere Stabilität von Kopf bis Fuß
- Simone Back
- 18. Okt.
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: vor 3 Tagen

Aufrichtung mit der Schwerkraft vermittelt das Tensegritätsmodell
Aufrichtung, die von innen kommt – über die Tiefe Frontallinie in Balance finden
Die tiefe Frontallinie (TFL) ist einer von zwölf myofaszialen Meridianen – und sie verdient es, ins Rampenlicht gerückt zu werden. Denn sie beeinflusst unmittelbar, wie wir stehen, uns bewegen und fühlen.
Als unser innerster Kern verbindet sie strukturell und funktional Muskeln und Faszien von den Füßen bis zum Kopf – und trägt so wesentlich zu Haltung, Atmung und innerer Stabilität bei.
Ihre Besonderheit liegt in ihrer volumetrischen Qualität: Sie steht für den inneren Raum, der uns formt, trägt und von innen heraus aufrichtet – und uns daran erinnert, unseren Platz im Körper und im Leben einzunehmen.
Ihre Funktion kann weder von den äußeren Meridianen noch von reiner Willenskraft übernommen werden. Wenn diese Linie gut integriert ist, entsteht eine natürliche Aufrichtung – getragen, nicht gehalten.
Wir atmen freier, stehen stabiler, bewegen uns leichter und fühlen uns in unserem Körper wirklich zu Hause.
Volumetrische Qualität der tiefen Frontallinie – innerer Raum und Aufrichtung von innen
Die tiefe Frontallinie (TFL) verläuft vom Fuß bis zum Kopf und verbindet dabei zentrale Strukturen, die uns von innen heraus tragen und stabilisieren:
Der hintere Schienbeinmuskel hebt das Fußgewölbe (mittleres Längsgewölbe) an und sorgt für eine gesunde, dynamische Basis.
Die Adduktoren - die Muskeln an der Beininnenseite - verbinden sich direkt über den kleinen Hüftmuskel (M. obturator internus) mit dem Beckenboden – einem wesentlichen Becken & Kernstabilisator.
Der Hüftbeuger (Psoas) setzt an der Oberschenkelinnenseite an und verläuft bis zum 12. Brustwirbel, um von dort direkt in die Zwerchfellschenkel überzugehen. Dadurch beeinflussen sich Atmung und Gehen wechselseitig.
Auch die faszialen Strukturen von Lungen- und Herzbeutel liegen auf der tiefen Frontallinie. So darf sich die Aufrichtung im Brustbereich ganz von innen heraus entfalten – und nicht durch ein äußeres Zusammenziehen der Schulterblätter, das häufig zu Verspannungen führt.
Selbst die Kaumuskeln, Zunge und weitere Strukturen, die für Schlucken, Kauen und Stimmgebung wichtig sind, gehören zu dieser Linie.

Meine schematische Darstellung der TFL – ein Versuch, die inneren Räume sichtbar zu machen.
Diese innere Vernetzung zeigt: Bewegung geschieht nie isoliert. Jede Struktur beeinflusst die andere – und genau darin liegt die Intelligenz dieser Linie.
Wenn die TFL gut integriert ist, wird Kraft harmonisch weitergeleitet – Bewegungen fühlen sich ökonomisch, geschmeidig und mühelos an.
Wenn die Balance verloren geht
Kommt es jedoch an einer Stelle zu übermäßiger Spannung oder Schwäche, kann sich das entlang der Linie fortsetzen. So können etwa verspannte oder dysfunktionale Muskeln der Beininnenseite bis in den Kiefer wirken und zu Zähneknirschen beitragen.
Oft liegen Symptom und Ursache also nicht am selben Ort. So kann es vorkommen, dass verspannte Zehen ihren Ursprung in einem zu schwachen Beckenboden haben – die tiefe Frontallinie sucht dann an anderer Stelle nach Stabilität. Erst wenn der Beckenboden in ausgewogener Verbindung zu den übrigen Strukturen dieser Linie steht, kann er seine natürliche Funktion wirklich entfalten. Deshalb ist isoliertes Beckenbodentraining auf Dauer oft zu einseitig.
Die tiefe Frontallinie ist mehr als die Summe ihrer Teile: Sie ist ein dynamisches, lebendiges Netzwerk, das uns von innen heraus – mit Unterstützung der Schwerkraft – aufrichtet, trägt und bewegt. In ihrer bewussten Wahrnehmung, in Bewegung wie im Alltag, entsteht ein tieferes Verständnis für die innere Verbundenheit und die feinen Wechselwirkungen im Körper.

Die tiefe Frontallinie – Spiegel unserer inneren Sicherheit
Gerade in dieser sehr sensorenreichen Linie zeigen sich oft alte Schutzmuster. Wenn wir uns früh im Leben sichern oder zurückziehen mussten, können sich Spannungen zum Beispiel im Zwerchfell, im Hüftbeuger oder im Herzbeutel (Perikard) festgesetzt haben. Wir machen uns klein, ziehen uns zusammen – oft ganz unbewusst.
Auch Stress, der durch Verletzungen oder Unfälle entstanden ist, kann im Gewebe gespeichert sein. Doch nicht nur Erlebnisse, auch das, was wir täglich leben und wiederholen, prägt unseren Körper auf subtile Weise.
Unsere Haltung und Atmung sind Ausdruck unserer Geschichte: Sie entstehen durch Gewohnheiten, oft unbewusste Anpassungen – manchmal auch durch Vorbilder, denen wir schon früh nacheifern. So formen sich mit der Zeit bestimmte Haltungs- und Atemmuster, die den Zugang zu Leichtigkeit, freier Atmung und innerer Stabilität erschweren können.
Manchmal reicht es dann eben nicht, „nur“ ein paar kräftigende Übungen zu machen – es braucht etwas, das tiefer ansetzt.
Bewusste Bewegung als Schlüssel zur Veränderung
Es braucht bewusste Bewegung, bei der der Fokus auf die Strukturen der tiefen Frontallinie (TFL) gerichtet ist. Hier ein kleines Beispiel, um eine Idee davon zu bekommen, wie das aussehen könnte: Wie bereits beschrieben, steht die TFL für Volumen – weshalb ich gerne mit der Wahrnehmung unserer inneren Räume arbeite, etwa im Becken- oder Brustraum. Wenn wir diese Räume wieder spüren, einnehmen und von innen heraus öffnen, entsteht eine natürliche Aufrichtung, die uns unbeschwert durchs Leben trägt.
Während einzelner oder mehrerer Übungen ist die Aufmerksamkeit gezielt beispielsweise auf den Beckenraum gerichtet. So wird der Bereich im wahrsten Sinne des Wortes (wieder) „belebt“ und in der Bewegung bewusst wahrgenommen – die Myofaszien (Muskel-Faszien) in diesem Bereich können in ein aktives, funktionales Arbeiten finden.
Dieser Prozess braucht Wiederholung, Zeit und Geduld: Erst durch das beständige Üben entsteht ein neues Bewegungsmuster, das sich mit der Zeit als neue Gewohnheit verankert. Selbst wenn wir zwischendurch wieder in alte Haltungs- oder Spannungsmuster zurückfallen – was ganz natürlich ist – bleibt jede bewusste Bewegungserfahrung im Körpergedächtnis gespeichert.
Mit Geduld, Achtsamkeit und Beharrlichkeit beginnen sich unsere Gewebestrukturen zu verändern, neu zu organisieren und zu formen.
Fazit - Körpergefühl leben, Leichtigkeit spüren
Es braucht positive, nährende Bewegungserfahrungen, um neue Haltungs- & Bewegungsmuster zu etablieren – also ein bewusstes, möglichst variantenreiches Bewegen, das neue neuronale Bahnen anlegt und unserem Nervensystem Sicherheit vermittelt. So können gehaltene oder zu lockere (laxe) Bereiche im eigenen Tempo wieder in Beziehung gebracht und in das Gesamtsystem des Körpers integriert werden. Dadurch entsteht eine neue Balance im Zusammenspiel mit der Schwerkraft – das beschreibt im Grunde den Begriff der strukturellen Integration.
Diese innere Balance unterstützt nicht nur unser Wohlbefinden, sondern schenkt unseren Bewegungen Leichtigkeit und unseren Gelenken Langlebigkeit – für ein bewegtes Leben, das uns trägt – bis ins hohe Alter.

TFL – mit Ball am Brustbein, um den inneren Raum zu spüren
Gerne begleite ich Sie dabei, Ihre tiefe Frontallinie zu spüren und dadurch zu aktivieren – für freieres Atmen, stabilen Stand, leichtere Bewegung und das Gefühl, im eigenen Körper zuhause zu sein.
– Simone Back



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